Das war ein Prozess, der sich über Jahre hinzog, eine Verkettung von ungünstigen Umständen.
In einem Baubericht von 1930 beschreibt Pfarrer Falckner das Dach der Peter- und Paul-Kirche: „ … an der Nordseite sind die ehemaligen Fittiche mit Falzziegeln ersetzt worden (1910), die häufig Reparaturen erfordern, weil sie von Sturm und Wind leicht herunter gerissen werden.“
Danach ist viele Jahre nichts aufgezeichnet über den Zustand der Kirche.
Der Nachfolger von Pfarrer Falckner, Pfarrer Weiß, stirbt im September 1958 und Hilfsprediger Haack kümmert sich kurze Zeit um die ev. Kirchengemeinde Neunheilingen.
Er schreibt im Juni 1959 einen ausführlichen Brief an das kirchliche Bauamt Nordhausen, in welchem er die erforderlichen Reparaturen in der Peter- und Paul-Kirche benennt. Unter anderem: Cavate an der Nordseite, Patronats-Freitreppe, Altarumsetzung und natürlich das Dach des Kirchenschiffs. Dieser Brief soll der Vorläufer eines Bauhilfeantrages werden, wird aber zunächst nicht weitergeleitet wegen Formsachen. Es fehlen z.B. der Kostenvoranschlag und die Kirchenrechnungen 1958/59. Diese sind so plötzlich nicht zu beschaffen, weil „…….die Kirchenrechnungsführung sehr im Argen liegt in Neunheilingen“ und ein Rendant erst gefunden wird.
Im Juli 1959 kommt es doch zu einer Ortsbesichtigung der Kirche durch das Bauamt Nordhausen. Danach schreibt der Bausachverständige ans Konsistorium Magdeburg: „Mangelnde Pflege der letzten Jahrzehnte erkennt das Auge überall……Der Mauerlattenkranz am Auflager ist teilweise total durch Fäulnis zerstört.“ Das Konsistorium wird vom Bauamt informiert. Hilfsprediger Haack reist selbst nach Magdeburg.
Im August bittet das Konsistorium den GKR Neunheilingen, zu reagieren und die notwendigen Unterlagen für den Bauhilfeantrag einzureichen: Beschluss des GKR, Kirchenrechnungen, Haushaltsplan und Kostenvoranschlag.
Eine Reaktion erfolgt bis November nicht. Im März mahnt das Konsistorium erneut. Die Antwort durch Pfarrer Reißland erfolgt im Juli.
1961 wird zum ersten mal erwähnt, dass die Kirche wegen Einsturzgefahr gesperrt werden könnte.
Der Briefwechsel zwischen GKR/Pfarrer und kirchlichem Bauamt/Konsistorium zieht sich nachvollziehbar von 1959 bis 1966 hin.
Einmal geht es nicht weiter wegen fehlender Kostenvoranschläge. Die Dachdeckerfirma will diese nicht ausfertigen vor Rücksprache mit dem kirchlichen Bauamt. Eine Firma sagt: Reparieren geht nicht; abreißen und neu bauen. Das Konsistorium Magdeburg sagt: Wir geben erst Geld, wenn wir eure Bemühungen sehen, die machbaren Dinge baulich selbst in Angriff zu nehmen. Der GKR sagt: Wir können erst in Angriff nehmen, wenn Geld bewilligt ist.
Inzwischen sind 53000 Mark veranschlagt für die Dachreparatur.
1966 wird der Schaden am Dach plötzlich bagatellisiert durch eine Dachdeckerfirma. Erneut findet eine Baubesichtigung statt.
1967 wird der Kirchturm repariert und neu beschiefert.
1968 werden Bohlen und Dachlatten gekauft für die Kircheneindeckung Peter und Paul.
Der letzte Gottesdienst in der Peter- und Paul-Kirche ist der Konfirmationsgottesdienst 1968.
Danach bahnt sich das Ruinendasein schon langsam an.
1972 denkt man wieder verstärkt über die Dachstuhlreparatur nach und plant, eventuell einen neuen Dachstuhl, wenn möglich aus Fertigteilen, genehmigen und montieren zu lassen, denn die Reparatur des alten Dachstuhls wäre zu teuer und „…….Abbrucharbeiten kämen bei diesem Bau noch viel teurer als ein neuer Dachstuhl“.
Es sollen 20000 Mark von der Gemeinde dafür aufgebracht werden. Anfang 1973 gibt es einen Spendenaufruf für die Erhaltung der Kirche.
Das Konsistorium bittet den Gemeindekirchenrat zu entscheiden, ob die Peter- und Paul-Kirche für die Gemeinde noch benötigt wird oder nicht.
Da es die Heilig-Kreuz-Kirche gibt, wird die Ansicht vertreten, dass die Peter- und Paul-Kirche für kirchliche Veranstaltungen und gottesdienstliche Zwecke nicht mehr benötigt wird.
Die Spendensammlung hat 3300 Mark erbracht. Das Soll war 20000 Mark aus eigenen und kreiskirchlichen Mitteln. Das reicht nicht aus und der GKR sieht sich zu seinem Bedauern genötigt, die Kirche für immer still zu legen. Sicherungsmaßnahmen werden eingeleitet.
1974 wird die Orgel abgebaut und auch der Kanzelaltar. Die Spender, die sich 1973 an der Sammlung für die Erhaltung der Kirche beteiligt hatten, werden gefragt, ob die Gelder zurück gegeben werden sollen oder für die Renovierung der Heilig-Kreuz-Kirche zur Verfügung gestellt werden.
Einzelteile des Altars sollen verkauft werden, da nach einem Gutachten des kirchlichen Kunstdienstes ein Wiederaufbau des Altars in alter Form nicht in Frage kommt.
1975 werden das Neunheilinger Wappen und zwei Kesselpauken dem Heimatmusem Neunheilingen in einem Überlassungsvertrag übergeben.
1976 wird die ev. Kirchengemeinde durch eine Verfügung der staatlichen Bauaufsicht beauftragt, den Abbruch des Daches vornehmen zu lassen. Das soll ca. 14000 Mark kosten.
1976 gibt es Überlegungen, das Kirchenschiff an den Rat der Gemeinde abzugeben, der dies später aber ablehnt.
1978 gibt es ein weiteres Gutachten über Peter und Paul. Darin heißt es, dass Ruine und Turm gänzlich entfernt werden sollen, weil „die Fundamente keine Sicherheit mehr bieten“.
Drei Figuren aus Peter und Paul stehen als Leihgabe in der Kirchheilinger Kirche: die Christusfigur, Peter und Paul. 1980 werden die Figuren Peter und Paul zusammen verkauft.
Ein Ringankerbalken soll gegossen werden zur Sicherung der Mauern.
Und dann – tritt die Ruine ihren Dornröschenschlaf an.
1991 gibt es einen Ortstermin mit der Denkmalpflege. Es wird über die Idee gesprochen, ein Dorfgemeinschaftshaus aus der Ruine zu machen und mit einer Überdachung 1992 zu beginnen. – Daraus wird nichts.
1997 forderte die ev. Kirchengemeinde Neunheilingen einige Leute einer kirchlichen ABM an, um die Kirchhofsmauer zu reparieren. Im Zuge dieser Maßnahme wird auch der Innenraum der Ruine beräumt, die Altarplatte aus Stein neu gesetzt, Erde aufgefüllt. Den ursprünglichen Fußboden frei zu legen, ist nicht mehr möglich, weil die Steinplatten größtenteils verrottet sind.
Die ABM ist im Sommer 1997 beendet – das Ruineninnere noch unansehnlich. Die Nordweststrecke ist einigermaßen planiert, alles übrige uneben und voller Steine, ein großer Erdhaufen vor der Südtür.
Im September 1997 bringt dann eine Gruppe Jugendlicher die fehlende Erde in die Ruine, liest Steine heraus und sät Gras an. Das bildet zum nächsten Frühjahr einen grünen Teppich.
Am Pfingstsonntag, dem 31.05.1998 um 14:00 Uhr findet der erste Gottesdienst in der Peter- und Paul-Ruine statt.
Der Himmel ist offen, die Sonne strahlt in die Ruine; eine Ruine mit besonderem Flair.
¹ Zusammengestellt nach Akteneinsicht im Archiv der Kirchengemeinde Neunheilingen von Ingrid Walter
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